18.02.2019 • 22:52

Günther Doleschel: "In Rokycany muss für unsere Teams der Gruppensieg das Ziel sein"

Günther Doleschel ist seit 2012 Cheftrainer der deutschen Nationalmannschaft.

Die U18-Mannschaften bereiten sich bereits seit vergangenem Jahr auf die Titelkämpfe vor.

In Prerov blieb das deutsche Team ohne Medaille, konnte aber im Erwachsenenbereich Achtungserfolge erzielen.

Bei der WM 2017 in Dettenheim holte das deutsche Damen-Team Gold.

Die Männer gewannen bei der Heim-WM Bronze.

Bei der U18 holte Tim Brachtel (2.v.rechts neben Lukas Funk) Gold im Sprint und gehört erneut zum U18-Kader.

Auch Samantha Jones (rechts) wurde 2017 Weltmeisterin im Tandem zusammen mit Bianca Zimmermann und hofft auf einen erneuten Einsatz in der U18.

Bei der Einzel-WM in Cluj 2018 gewann die deutschen Mannschaft vier Medaillen, von links: Axel Schondelmaier (Vizeweltmeister Sprint), Timo Hoffmann (Vizeweltmeister Kombination), Sina Beißer (Einzelweltmeisterin) und Manuel Weiß (Vizeweltmeister Einzel).

Einzelweltpokal in Prerov, Länderspiele in Tschechien und gegen Serbien, die Internationalen Wochen von Rocycany mit U14-Einzelweltpokal, U18-Weltmeisterschaften und der Team-WM zum Abschluss bilden die Highlights im WM-Jahr 2019. Nach den ersten Wettkämpfen in Prerov sprach dkbc.de mit dem Cheftreiner der deutschen Nationalmannschaft, Günther Doleschel, über das Abschneiden und die weiteren Vorhaben und Aussichten.

Günther Doleschel, der Einzelweltpokal in Prerov bildete den Auftakt ins WM-Jahr 2019. Mit welchem Fazit bist du mit deinem Trainerteam aus Tschechien zurückgekehrt?


Günther Doleschel: Wenn man es an Erfolgen oder Medaillen allein messen würde, müsste man schon sagen, man ist enttäuscht. Wenn man mit sechs Sportlern zu solch einem Event fährt, erwartet man, dass man mit etwas in der Tasche, sprich einer Medaille oder mehr, wieder nach Hause kommt. Betrachten wir es aber im Einzelnen: Wir haben dort gezeigt, dass wir dran sind, aber zur Spitze in einem Wettbewerb, wohin die Nationen ihre Besten senden, gehören wir noch nicht. War deshalb vielleicht die Personalauswahl falsch? Nein, denn es starten die deutschen Einzelmeister des Vorjahres. Und bei den nationalen Titelkämpfen kann oft der eine oder andere Nationalspieler aufgrund des Zeitplans nicht teilnehmen und so kommt es in steter Regelmäßigkeit vor, dass wir Aktive dabei haben, die beim Einzelweltpokal ihr Debüt auf internationaler Ebene geben, so wie es dieses Jahr mit Christina Klein, Dejan Lotina und Florian Fritzmann gleich ein Trio war.

Christina Klein hat mit den besseren Gesamtkegeln gegen die Slowenin Masa Miklavec mit 1:3 verloren. Das kann passieren, das ist kein Beinbruch, sie hat mit 563 auch das gespielt, wozu sie derzeit in der Lage ist. Ähnlich war es bei Dejan Lotina, der mit 601 Kegeln gegen den Slowaken Marcel Ivancic ausgeschieden ist, das war vom Ergebnis her nicht schlecht. Daniel Barth hingegen hat natürlich schon mehr Erfahrung, aber mit sich gehadert und ist auch etwas nervös aufgetreten. Das Ergebnis war am Ende nicht ausreichend, um den späteren Sieger Bojan Klicaric aus Serbien in Bedrängnis zu bringen.

Bei den Frauen und Männern begann der Wettkampf mit Siegen in der 1. Runde erfolgversprechend. Alina Dollheimer und Thomas Schneider sind heiße Kandidaten für die Team-WM 2019 in Rokycany, Wie beurteilst du das Abschneiden unseres Trios?

Günther Doleschel: Der erste Auftritt von Alina Dollheimer mit 615 Kegeln war eine schöne Sache. Auch gegen Brigitte Strelec hätte sie im Viertelfinale durchaus eine Chance gehabt, doch sie war an der Schulter verletzt und konnte nicht mehr handicapfrei spielen. Einen Zusatzplatz hatte Tom Schneider inne. Ich denke, er war dafür der richtige Sportler. Tom hat einen sehr guten Auftritt gegen den Esten Kristjan Tamlak gehabt und 4:0 mit einem sehr schönen Ergebnis von 652 Kegeln gewonnen. Er traf dann auf Erik Kuna, der, denke ich mal, die beste Entwicklung in der Slowakei genommen hat. Sehr unglücklich war natürlich, dass Tom nach seinem ersten Spiel gleich auf der Bahn bleiben musste. Es ist natürlich auch schwierig für so einen erfahrenen Spieler, über zwei Stunden hinweg die Konzentration und auch die Leistung hochzuhalten. Und so ging es halt knapp verloren. Damit muss man auch mal leben. Ich glaube, Tom kann das auch richtig einschätzen. Ein Neuling war wie gesagt auch Florian Fritzmann mit seinem ersten internationalen Auftritt für Deutschland. Natürlich hat er schon viele internationale Erfahrungen in der Champions League mit seinem Heimatverein gesammelt. Flo hat gegen den Österreicher Philipp Vsetacka klar gewonnen und zielstrebig auf diesen Sieg hingearbeitet. Gegen Igor Kovacic hat er bei am Ende 2:2-Sätzen dann aber doch in bestimmten Situationen den einen oder anderen Fehlwurf gemacht, und so hat es letztlich nicht gereicht.

Wie gesagt, keine Medaille ist enttäuschend, trotzdem haben sich unsere Sportler dort gut verkauft und vor allem im Erwachsenenbereich sind wir am Ende immer nur knapp gescheitert.

Für die U23 war das bereits der Saisonhöhepunkt auf dem langen Weg nach Polen 2020. Dejan Lotina und Daniel Barth gehören zum Nationalkader. Wie werdet ihr die Entwicklung der Karlstädterin Christina Klein verfolgen?

Günther Doleschel: Ich werde mich mit der verantwortlichen Trainerin Daniela Kicker  besprechen, was ich aus diesem Auftritt herausgelesen habe. Im Endeffekt ist sie es, die den Kader zusammenstellt. Ich denke schon, dass Christina die Chance bekommen wird, bei einem Lehrgang mit dabei zu sein und sich dort zu messen. Die fehlende internationale Härte ist natürlich nicht aufzuholen, da haben wir sehr viele, die schon aus dem Jugendbereich herauskommen. Aber Christina Klein ist eine gute Sportlerin, deren Entwicklung nach einem ordentlichen Auftritt natürlich verfolgt wird.

Die U14 und die U18 waren beim Einzelweltpokal nicht am Start, in Rokycany aber schon. Wie ist der Stand der Dinge beim deutschen Nachwuchs und was ist in der weiteren Vorbereitung vorgesehen?

Die U14 ist schön länger ein Problem. Wir haben immerhin zuletzt drei Sportler – ein Mädchen aus Südbaden, zwei Jungen aus Bayern zum Stützpunkttraining eingeladen und beobachtet. Ich will noch keine Namen nennen. Es bleibt abzuwarten, wie sich das entwickelt. Der U14-Bereich ist aber auch sehr schwierig, weil die Leistungsschwankungen natürlich sehr groß sind.

Bei der U18 sind wir zunächst dabei bis zum Wochenende, den Kader von jeweils acht Sportlern auf sechs zu reduzieren damit in der Vorbereitungsphase die Zusammenarbeit weiter intensiviert werden kann. Einige werden sich in den Stützpunkten noch bewähren, sodass wir zu den Länderspielen, die allerdings noch nicht in trockenen Tüchern sind, den endgültigen Kader von je fünf Sportlern zusammenhaben. Klar aber ist, dass wir die Länderspiele mit fünf Spielern aus der U18 und einem aus der U14 bestreiten wollen. Ich habe sehr gute Sportler und Ergebnisse gesehen. Was das Länderspiel betrifft, war es gemeinsam mit den Erwachsenen gegen Tschechien geplant, was aber von der eigenen Seite zu Ostern nicht in die Terminplanung passte. Von der Slowakei, Österreich und Italien haben wir Absagen erhalten da in diesen Ländern  andere Zeiten in der nationalen Saison festgelegt sind. Für uns ist der Termin 13. April im Plan. Jetzt haben wir noch Polen im Blick, eine Antwort steht aber noch aus.

Länderspiele führen die Männer und Frauen gegen Tschechien und Serbien. Nicht alle Medaillengewinner von 2017 werden dabei sein. Auf wen können wir uns bei den Spielen in Tschechien zu Ostern und gegen Serbien freuen, wer wird fehlen?

Ich möchte mal mit den Frauen beginnen. Corinna Kastner ist aus sportlicher Sicht natürlich ein großer Verlust. Wenn aber ein Sportler von sich aus sagt, es macht keinen Sinn mehr, dann muss man es auch so akzeptieren. Wir versuchen nun diese Lücke möglichst erfolgreich zu schließen. Daniela Kicker ist zur Zeit von vielen Verletzungen geplagt, da muss man ein dickes Fragezeichen machen, ob sie es bis zur WM noch hinbekommt. Aber es gibt sehr viele gute Sportlerinnen in Deutschland. Saskia Seitz, Sina Beißer, Sissi Schneider und Alina Dollheimer – das sind alles bewährte Kräfte, die auch zum Goldteam von Dettenheim gehörten. Wir haben auch Anna Müller schon einige Male mit dabeigehabt. Sie spielt eine sehr starke Saison und hat sich im Kader gut gezeigt. Auch Kathrin Lutz gehört zu denen, die um einen Platz kämpfen. Celine Zenker kommt aus dem Juniorenbereich, auch Sandra Sellner aus Liedolsheim ist nicht zu vergessen. Wer am Ende in Rokycany auf der Bahn steht – auch andere Namen sind noch im Spiel – das ist endgültig noch nicht entschieden.

Bei den Männern drängen sind einige Sportler einfach aufgrund ihrer Leistungen und ihres Auftretens auf. Wenn ich da Jürgen Pointinger, Manuel Weiß, Mathias Dirnberger, Timo Hoffmann, Thomas Schneider und Mathias Weber aufzähle, ist das schon ein sehr großer Kern. Im Januar war Christian Wilke beim Lehrgang auf dem Rabenberg dabei. Er hat sich sportlich sehr gut entwickelt und auch Ambitionen, sich durchzusetzen. Bei einigen anderen ist es etwas ungewiss, ob sie noch zum Zug kommen können. Ich nenne da mal nur Axel Schondelmaier, der in Unterharmersbach maximal eine durchwachsene Saison spielt. Aber Axel ist ein sehr erfahrener Spieler, der sich auf solche Events gut vorbereiten kann. Ich will auch nicht final einen Haken hinter Florian Fritzmann machen. Timo Hoffmann hat zum Beispiel mit ihm beim Einzelweltpokal noch einmal gesprochen. Dann steht da auch noch Daniel Schmid, der in Dettenheim dabei war und dessen sportliche Entwicklung – vielleicht auch im Zuge seines Wechsels – in dieser Saison noch nicht so positiv war. Ich möchte mir auch noch einen Dominik Kunze anschauen. So steht zwar ein großer Kern, aber wenn etwas passiert, können wir immer noch auf den einen oder anderen Spieler zurückgreifen.

Die Spiele gegen Serbien finden im hessischen Rothenbergen statt? Warum habt ihr euch für diesen Gastgeber entschieden?

Günther Doleschel: Rothenbergen hat sich schon vor einigen Jahren für ein Länderspiel beworben, kam dann aber nie zum Zug, weil es Mitbewerber gab, die größere Bahnanlagen hatten. Wir haben uns aber gesagt, wir müssen auch auf diese Vereine zugehen und die Nationalmannschaften ihnen zur Verfügung stehen. Rothenbergen hat dazu eine besondere Verbindung zu Serbien dank eines Mitspielers, der von dort stammt und immer wieder angefragt hat.

Milos Ponjavic verstärkt das deutsche Team als Technischer Berater. Wie wichtig ist das Input eines Weltmeistermachers und wie kommt es schon zum Ausdruck?
Günther Doleschel: Milos Ponjavic war in Prerov mit dabei. Ich denke, wenn man auf so eine Kapazität zurückgreifen kann, dann muss man das auch nutzen. Auf dem Rabenberg haben wir im Januar mit einigen Trainern und Milos das Gespräch gesucht und die einhellige Meinung war: Jawohl, er hilft uns weiter. Man hat das aber auch schon zuvor gesehen. So hatten wir eine sehr erfolgreiche Einzel-WM, in deren Vorfeld er mitgewirkt hat. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir im sportlichen Bereich die wenigen Möglichkeiten, die uns offenstehen, durch seine Beratung nutzen. Natürlich haben wir im Gespräch mit ihm festgestellt, dass wir die Bedingungen, die er in Serbien aber auch in der Slowakei hatte, nicht schaffen können, weil unsere Nationalsportler beruflich und familiär eingebunden sind und die Freiräume, die beispielsweise in Serbien geboten wurden, von uns nicht geleistet werden können. Das hat er natürlich auch verstanden und versucht trotzdem, ein Optimum bei den Lehrgängen und natürlich auch Länderspielen zu erreichen. Außerdem hat er sehr viel Erfahrung, was die Einschätzung der einzelnen Bahnen betrifft. Man könnte schon sagen, er hat diese Sache studiert und geht vielleicht ein bisschen anders heran, weil er einfach auf diese hohe Erfahrung zurückgreifen kann. Er hat dazu sehr viel Gespür für den Einzelnen und auf diesem Weg schon einige Dinge bei uns in Angriff genommen, die zunächst sehr schwer lösbar erschienen. Aber er hat die Art, ein klares Wort zu reden, sodass der Sportler sehr schnell versteht, worauf es ankommt, um weiter dabei zu sein und nach vorn zu kommen.

Mit Oliver Scholler ist ein ehemaliger Nationalspieler - und Co-Trainer nun als U23-Nationaltrainer verantwortlich. Wie bewertest du seine Entwicklung?

Günther Doleschel: Ich bin sehr froh, dass Oliver Scholler zugesagt hat, die U23 männlich zu übernehmen. Das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, da wir in diesem Bereich aus einer Weltmeisterschaft kommen, in der die U23 männlich nicht sehr erfolgreich war, obwohl wir eine sehr gute Mannschaft gestellt haben. Den Kader für die WM 2020 in Polen vorzubereiten ist ein großes Ziel, aber Olli kniet sich rein. Wir haben auch sehr viel beim Einzelweltpokal miteinander gesprochen. Mit Manuel Hopfe hat er sich jemanden an die Seite geholt, der als Kegler in Wernburg sehr erfolgreich ist und eine entsprechende Trainerausbildung hat. Ich denke, das harmoniert sehr gut, da bin ich guter Dinge für nächstes Jahr.

In der Bundesliga ist der Kampf um die Meisterschaft in diesem Jahr offener als in vielen Jahren zuvor. Wie stark schätzt du die Bundesliga im internationalen Vergleich ein? Welche Vereine haben dich in diesem Jahr am meisten überrascht?

Günther Doleschel: Die Überraschung bei den Männern ist schon, dass sich Staffelstein so lange so gut hält und alles daran setzt, um um die Meisterschaft mitzuspielen. Das merkt man deutlich, die Ergebnisse, die sie spielen sind hervorragend. Sie haben sich natürlich auch Sportler mit ins Boot geholt, die auf sehr viel Erfahrung zurückgreifen können. Und es ist schön, dass solche Mannschaften mit in der Liga sind und das eine oder andere Spiel dann doch wieder richtig an Spannung gewinnt. International ist es so, und da kann man die Champions League anschauen oder den Weltpokal, wir sind auf jeden Fall mit dabei. Nach wie vor halte ich die Mannschaften aus Ungarn, der Slowakei und Serbien, und auch Kroatien für ganz starke Gegner. Sie werden uns bei solchen Mannschaftsveranstaltungen immer wieder Paroli bieten. Da ist ein Sieg beileibe kein Selbstläufer. Im nächsten Sportjahr wird sich die Situation durch die bereits bekanntgewordenen Spielertransfers nochmal verschärfen.

Und bezogen auf Mannschaften, was erwartest du vom österreichischen Nationalteam, beide Vertretungen sind unsere Vorrundengegner bei der WM?

Günther Doleschel: Ich schätze die Österreicher sehr stark ein, dennoch muss bei beiden deutschen Nationalmannschaften in Rokycany das Ziel der Gruppensieg sein. Bei den Frauen wären dann mögliche Gegner Ungarn oder Slowenien. Genauso sehe ich das bei den Männern, wo es um Serbien oder Tschechien geht. Es wird nicht das Ziel sein, in der K.-o.-Phase das erste Spiel gegen den Weltmeister bestreiten zu müssen.


Du hattest den Fokus bei der Bundesliga auf die Männer gelegt, bei den Frauen sieht es nicht wesentlich anders aus...
Günther Doleschel:
Man weiß natürlich, dass Pöllwitz sehr starke Heimbahnen hat und über Spieler verfügt, die dort Riesenergebnisse spielen. Aber das ist ja nicht alles. Sie kegeln auswärts auch sehr ansehnlich und haben Spiele gewonnen, bei denen sie auch mich überrascht haben. Da sind auch Sportlerinnen, die den Schritt in den Nationalkader schaffen können, wenn ich nur an Pia Köhler denke, die schon im Juniorenbereich in der Auswahl mitgewirkt hat oder auch Sarah Conrad (damals noch unter dem Mädchennamen Dressler - die Red.). Das sind alles Spielerinnen, die wir beobachten werden und deren Entwicklung sehr erfreulich ist. Da werden wir schauen, wo das hinführt, und wie man dann diese Sportlerinnen bei bleibender Leistung in den nächsten Jahren mit einbaut.

Das Interview führte Michael Hohlfeld


Kategorie: Topmeldungen, Nationalmannschaft, Frauen/Männer, U23, U18
Nationalmannschaft
Kadermaßnahmen

DKBC-Image- und Erklär-Filme

Zur Homepage des Dachverbandes DKB

Archivinfo

Daten vor 2012 befinden sich noch teilweise noch auf der alten Homepage unter www.alt.dkbc.de